Willi Frohwein

Willi Frohwein – Gründungsmitglied der ersten Stunde

Willi Frohwein war vielen Menschen in Potsdam und im ganzen Land durch sein Engagement als Zeitzeuge bei der Aufklärung über die Zeit des Nationalsozialismus bekannt. Seine menschliche, einfühlsame und humorvolle Art wurde sehr geschätzt, vor allem von Jugendlichen, denen er große Sympathien und Verständnis entgegenbrachte.

Willi Frohwein wuchs in einer Arbeiterfamilie in Spandau mit drei Geschwistern auf. Seine Mutter war Katholikin. Sein Vater war aus der jüdischen Gemeinde ausgetreten, um die Ehe von der katholischen Kirche anerkennen zu lassen. Willi wurde katholisch erzogen. 1935 machten ihn die sogenannten Nürnberger Gesetze der Nationalsozialisten zum „Halbjuden“. Von einem Tag zum anderen verlor der 12-jährige Willi Frohwein seine Freunde in der Schule. Nach der Pogromnacht 1938 in Spandau, die er als Augenzeuge erlebte, wurden er und seine Familie zunehmend ausgegrenzt und verfolgt. Seine Ausbildung zum Wäscher und Plätter durfte er nicht abschließen. Eine Flucht war der Familie aus finanziellen Gründen nicht möglich.

1942 wurde Willi Frohwein zur Zwangsarbeit in die Werkzeugmaschinenfabrik Sasse, wo er Munition polierte, dienstverpflichtet. Absichtlich produzierte er Ausschuss. Nach mehrmaliger Vorladung und Abmahnung durch die Firmenleitung entschloss er sich zur Flucht über die Schweizer Grenze. Sie misslang. Willi Frohwein wurde in Berlin-Wuhlheide inhaftiert und von dort nach Auschwitz deportiert. Hier arbeitete er in der neuen Wäscherei, wo er mit dem Mithäftling Bruno Baum bekannt wurde, der in der benachbarten Elektrowerkstatt tätig war.

Sein Überlebenswille und die Verkettung mehrerer glücklicher Umstände retteten ihm das Leben. Seine Familie entkam dem Abtransport in ein Lager nur zufällig. Durch einen Brief der Mutter an den Lagerkommandanten wurde Willi vor dem Abtransport zur Gaskammer in Birkenau gerettet. Der Lagerkommandant war wohl irritiert darüber, dass Willi Frohweins Bruder Hans an der Front war und er selbst im Lager. Hans wurde in ein Strafbataillon zwangsrekrutiert und musste Minen räumen. Willi Frohwein wurde auf diese Weise wieder zu einem „Deutschen“ erklärt.

Im Januar 1945 musste er auf den so genannten Todesmarsch gehen. In offenen Kohlewaggons wurde er zusammen mit anderen Häftlingen in das KZ Mittelbau-Dora deportiert, wo er an der „Wunderwaffe“ V2 mit bauen sollte. Er wurde schließlich in Bergen-Belsen von britischen Soldaten befreit.

Nach 1945 arbeitete Willi Frohwein zunächst als Kriminalkommissar in Potsdam und war Mitglied der SED. Er beteiligte sich an der Gründung der Volkssolidarität, engagierte sich in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und später im Kreiskomitee der antifaschistischen Widerstandskämpfer. Er arbeitete auch als Aufnahmeleiter im DEFA-Studio für Spielfilme.

1966 sagte Willi Frohwein als Hauptbelastungszeuge im Prozess gegen den Lagerarzt Horst Fischer aus, der ihn zweimal selektiert hatte. Seit dieser Zeit sprach Willi Frohwein öffentlich von seinen Erlebnissen. Seitdem war er mit tausenden Schülerinnen und Schülern im Gespräch. Die Stadt Potsdam ehrte ihn im Jahr 2005 gemeinsam mit Otto Wiesner, als einzige ehemalige KZ-Häftlinge, durch den Eintrag in das Goldene Buch der Stadt.

In der Aufklärung junger Menschen über den Faschismus hat er zuletzt seinen Lebenssinn gesehen. Durch seine einfühlsame und sensible Art, durch seinen Humor und seine dialogische Weise des Erzählens ohne jeglichen belehrenden Unterton bleibt er uns sehr nahe. „Es muss aus dem Herzen kommen, dann macht der Kopf schon weiter“, sagte er oft in Gesprächen auf seine so für ihn typische Berlinerische Art. In vielen Zusammenkünften in Schulen, wie der Realschule in Lengede (Niedersachsen), die auf Wunsch der Schüler seit Juni 2008 seinen Namen trägt, oder im Haus der Wannsee-Konferenz in Berlin, mit dem sich Willi auf das Engste verbunden fühlte, haben vor allem junge Menschen diese menschliche Wärme erfahren können.

Neben seinem Engagement als Zeitzeuge hat sich Willi Frohwein aber auch immer wieder bei erinnerungspolitischen Fragen zu Wort gemeldet, zuletzt beispielsweise in der Auseinandersetzung um die Umgestaltung der Gedenktafel zum Novemberpogrom 1938 in Potsdam, deren Initiator Willi selber war oder zur Würdigung des ehemaligen Auschwitz-Häftlings Bruno Baum. Die Unterstützung einer antifaschistisch orientierten politischen Kultur war ihm stets ein wichtiges Anliegen, das er nach seiner Befreiung aus dem KZ verfolgte. Er engagierte sich seit 1947 in der Brandenburger Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), später als stellvertretender Vorsitzender des Kreiskomitees Potsdam der Antifaschistischen Widerstandskämpfer und schließlich unterstützte er die Gründung der Brandenburger Landesvereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA). Im Alter von 86 Jahren verstarb er am 12. Dezember 2009 in seiner Babelsberger Wohnung.