Todesmarsch

Todesmärsche als Verbrechen
Als Ende des Jahres 1944 die Niederlage der deutschen Armee und ein potenzieller Sieg der alliierten Kräfte immer augenscheinlicher wurde, begannen die ersten Evakuierungen aus den Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nationalsozialisten in Frontnähe. Die Lager sollten nun aufgelöst werden und die noch überlebenden und transportfähigen Häftlinge in die noch bestehenden Lager des deutschen Kerngebietes gebracht werden. Die Inspektion der Konzentrationslager als zentrale Verwaltung verfügte über 24 sogenannte Konzentrations-Stammlager, denen weit mehr als 1.000 Außenlager angegliedert waren. Im Deutschen Reich gab es unter anderem Stammlager in Bergen-Belsen, Buchenwald, Dachau, Flossenbürg, Groß-Rosen (heutiges Polen), Mauthausen (Österreich), Neuengamme, Ravensbrück, Sachsenhausen, oder Stutthof (heutiges Polen). Die Nationalsozialisten und die SS (Schutzstaffel) wollten dabei, dass keine Häftlinge lebend in die Hände des Feindes fallen sollten. Die SS war die Verwaltungs- und Führungsbehörde für die nationalsozialistischen Konzentrationslager. Vor dem Heranrücken der Front der alliierten Kräfte wurden somit die Konzentrationslager mitsamt ihren Außenlager und Außenkommandos aufgelöst und die Häftlinge zumeist per Fuß in noch unter deutscher Hoheit stehende Gebiete des Kernreiches getrieben. Todesmärsche wurden sie deshalb genannt, weil viele Häftlinge ihn nicht überlebten und die Bedingungen katastrophal waren. Schikaniert und unter Androhung der Liquidierung durch die Bewacher der SS, geschwächt durch Hunger und Krankheiten sowie mit mangelnder Kleidung bei kalter und feuchter Witterung konnten viele das Marschtempo nicht halten oder wurden erschossen. Tausende starben so kurz vor dem Ende des Krieges, viele auch später an den Folgen der Strapazen. Die Todesmärsche sind damit einer der letzten und grausamsten Verbrechen der Nationalsozialisten, direkt unter den Augen der Öffentlichkeit.
KZ Lieberose
Nach den Niederlagen von Stalingrad und im Kursker Bogen fasste die deutsche Führung eine Reihe von Beschlüssen zur Weiterführung des Krieges und militärischen Umorientierung. Dazu gehörte auch die Beschleunigung des Baues des Truppenübungsplatzes „Kurmark“ der Waffen-SS. Dazu mussten erst einmal mehrere Gemeinden mitsamt ihrer Bewohner:innen östlich von Lieberose im Süden des heutigen Brandenburgs umgesiedelt werden.
Die Arbeiten zum Truppenübungsplatz sollten billige Arbeitskräfte wie KZ-Häftlinge durchführen. So entstand durch die SS das KZ Lieberose als Nebenlager des KZ Sachsenhausen im Dorf Jamlitz in der unmittelbaren Nähe des Bahnhofs Lieberose. Häftlinge aus dem KZ Sachsenhausen und niederländische Zwangsarbeiter errichteten das Lager im Herbst 1943. Schon bald bestand das Lager aus sechs Wohnbaracken, einer Häftlingsküche, einem Krankenrevier und zwei Wasch- und Toilettenbaracken. Das KZ Lieberose zählte zu den Lagern, die besonders durch ihre grausamen Arbeits- und Lebensbedingungen geprägt waren. Als Tarnung hieß es einfach nur „Arbeitslager Lieberose“, stand jedoch unter dem Motto „Vernichtung durch Arbeit“.
Bis zum Frühjahr 1944 kamen weitere Transporte mit Häftlingen verschiedener Nationalitäten aus den KZ Sachsenhausen und Groß-Rosen an, um das Lager zu erweitern. Im Sommer 1944 wurde das Lager schließlich auf 18 Baracken erweitert, um Transporte jüdischer Häftlinge aufnehmen zu können. Am 5. Juni 1944 traf der erste große Transport ungarischer Juden aus Auschwitz ein. Es handelte sich um bei der Selektion als arbeitsfähig aussortierte Juden, die im deutschen Kernreich durch Vernichtet und Arbeit getötet werden sollten. Dies hieß schwere körperliche Arbeit und unzureichende Ernährung. Bald stellten die jüdischen Häftlinge die größte Häftlingsgruppe in Lieberose dar. Sie mussten unter unmenschlichen Bedingungen die Anlagen des Truppenübungsplatzes bauen. Somit wurde das KZ Lieberose zum Vernichtungslager für die Juden und ein Teil der Shoa auf deutschem Boden. Etwa 6000 bis 10000 Häftlinge wurden in dem Lager eingesperrt. Kurz vor dem Todesmarsch war das Lager mit rund 3600 Menschen belegt. Im KZ Lieberose war die Todesrate besonders hoch. Zuletzt waren 90 Prozent aller Häftlinge jüdische Häftlinge aus dem Ausland.
Chronologie des KZ Lieberose
In: Führer durch die Ständige Ausstellung KZ-Nebenlager Lieberose, Kotzan, 2006
18.10.1943: Aussiedlungsbefehl des Reichsführers SS, Heinrich Himmler, für die Einwohner der 17 Gemeinden in jenem Gebiet, wo der SS-Truppenübungsplatz „Kurmark“ entstehen soll
09.11.1943: Ankunft der ersten Häftlinge aus dem KZ Sachsenhausen und Unterbringung im Saal des Landgasthauses „Zum Grünen Grund“ in Jamlitz
Nov. 1943: Aufbau des sogenannten Arbeitslagers Lieberose, also KZ Lieberose, beginnt in der Nähe des Bahnhofs Lieberose
Dez. 1943: Ankunft niederländischer Zwangsarbeiter zum Bau des KZ Lieberose und des Truppenübungsplatzes
12.04.1944: Ankunft eines großen Häftlingstransportes aus dem KZ Groß-Rosen (Häftlingsnummern 77251-77650)
05.06.1944: Ankunft des ersten Transportes mit über 2400 ungarischen Juden aus dem KZ Auschwitz (Häftlingsnummern 79926-82327)
23.08.1944: Abtransport von 175 arbeitsunfähigen Häftlingen zur Vernichtung in das KZ Auschwitz
31.08.1944: Ankunft eines Transportes mit 500 Häftlinge aus dem KZ Auschwitz (Häftlingsnummern 99001- 99500)
31.08.1944: Abtransport von 300 arbeitsunfähigen Häftlingen zur Vernichtung in das KZ Auschwitz
08.10.1944: Abtransport von 300 arbeitsunfähigen Häftlingen zur Vernichtung in das KZ Natzweiler
27.10.1944: Ankunft von rund 1500 Häftlingen aus dem KZ Auschwitz (Häftlingsnummern 111250-112742)
19.12.1944: Ungefähr 250 polnische Jugendliche der sogenannten „Maurerschule“ des KZ Auschwitz kommen über das KZ Sachsenhausen nach Lieberose
Jan. 1945: Befehl zur Auflösung des Lagers, Abtransport von 600 jungen und kranken Häftlingen mit dem Zug in das KZ Sachsenhausen, Ermordung in der „Station Z“
02.02.1945: Abmarsch von fast 2000 Häftlingen zum Hauptlager KZ Sachsenhausen als Todesmarsch, nicht marschfähige Häftlinge werden unterwegs erschossen
02.02.-04.02.1945: Erschießung von über 1000 kranken und marschunfähigen Häftlingen durch die SS-Mannschaften im KZ Lieberose, die Leichen werden in Gruben verscharrt
Mai 1971: Exhumierung von 577 Skeletten erschossener Häftlinge in der Staakower Kiesgrube durch Mitarbeitende des Gerichtsmedizinischen Institutes in Dresden
12.09.1971: Symbolische Beisetzung einer Urne mit Asche der Ermordeten neben dem Friedhof der Stadt Lieberose, Grundsteinlegung für das Mahnmal
06.05.1973: Einweihung „Mahnmal gegen Faschismus und Krieg“ in Lieberose
12.09.1982: Eröffnung eines Museums der KZ-Gedenkstätte
Todesmarsch von Lieberose in das KZ Sachsenhausen
Am 2. Februar 1945 wurden die Häftlinge des KZ Lieberose, welche nicht unmittelbar ermordet werden sollten, auf den Todesmarsch getrieben. Die Anzahl der Gefangenen, welche den Todesmarsch antreten mussten, ist nicht eindeutig überliefert. Eine gesicherte Anzahl sei nach Andreas Weigelt 1612 Gefangene. Nachweislich sind im KZ Sachsenhausen 1282 Juden sowie 186 nichtjüdische Gefangene angekommen (In: Judenmord im Reichsgebiet – Lieberose: Außenlager des KZ Sachsenhausen, Weigelt, 2011,). Der Todesmarsch aus dem KZ Lieberose in das KZ Sachsenhausen verlief zwischen dem 2. und 10. Februar 1945 über Goyatz, Kuschkow, Teupitz, Kallinchen, Zossen, Ludwigsfelde, Drewitz, Potsdam, Falkensee und erreichte am 9. oder 10. Februar das KZ Sachsenhausen. Geschlafen wurde auf freier Wiese, in Ställen oder Kasernenkomplexen. Massive Androhungen von Gewalt und auch durchgeführte Gewalt spielten eine wesentliche Rolle. Von Beginn an und täglich während des Todesmarsches fanden laut diverser Quellen und Berichte Erschießungen durch das Begleitpersonal, teilweise vor den Augen der Bevölkerung statt. Auch aus Potsdam sind Erschießungen bekannt, die Bevölkerung nahm den Todesmarsch, der hier eine große Stadt durchquerte, wahr.
Würdiges Erinnern
Aus der Initiative der Vereinigten der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (kurz VVN-BdA) aus Potsdam heraus erfolgte ein Antrag an die Stadtverordnetenversammlung mit der Forderung der Beschilderung und würdigen Erinnerung an den Todesmarsch, der aus dem KZ Lieberose Anfang Februar 1945 durch Potsdam in das KZ Sachsenhausen führte. Bereits zuvor gab es regelmüßig Gedenkveranstaltungen auf dem Friedhof in Drewitz, wo bereits zu DDR-Zeiten ein Erinnerungsort geschaffen wurde, der unter Denkmalschutz steht. Nach einer Besprechung und positiven Votums im Kulturausschuss der Landeshauptstadt Potsdam, entschied sich eine Mehrheit der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung im Mai 2021 für die Markierung und würdige Erinnerung an den Todesmarsch aus. Zudem sollte eine wissenschaftliche Untersuchung zum Todesmarsch und zur Beschilderung erfolgen.
Trotz mehrmaliger Nachfragen, sowohl im zuständigen Bereich der Verwaltung der Landeshauptstadt Potsdam, als auch im Kulturausschuss, nahmen wir wahr, dass diesem Erinnerungsprojekt nicht die notwendige Priorität beigemessen wurde, wie wir und dies wünschten. Selbst eine adäquate Erinnerung und Würdigung des Todesmarsches zum 80. Jahrestag im Februar 2025 scheint kaum möglich. Die Todesmärsche stellen eine der grausamsten Verbrechen der Nationalsozialisten dar. Eine würdige Erinnerung, auch im Stadtbild der Landeshauptstadt Potsdam, ist für uns als Opferverband immens wichtig, dazu zählt auch der öffentliche Umgang und Bewusstmachung mit der Geschichte, wie in Form einer Ausschilderung oder wie in unserem Falle mit einer Plakataktion an den historischen Orten. Aus diesem Grund haben wir als VVN-BdA mit der Fraktion DIE aNDERE und Einzelpersonen eine Gedenkaktion an den Todesmarsch in Eigeninitiative organisiert.

Berichte aus dem KZ Lieberose
„Wir fuhren durch ein breites Tor, wie Spinnengewebe umrahmt von blanken Stacheldrahtreihen, und sahen ein einstöckiges Landhaus. Ein junger SS-Offizier sagte zu uns:
Ihr werdet im Kommando Lieberose arbeiten. Vorläufig werdet ihr in diesem Haus wohnen. Bei einem Fluchtversuch wird jeder Zweite erschossen. Mit der Arbeit beginnt ihr heute. Arbeiten werdet ihr wie noch nie in eurem Leben. Das Leben eines jeden von euch hängt von der Schnelligkeit und Qualität der Arbeit ab.
Eine bittere und schwere Zeit erwartete uns. Wer von uns 22 wird Lieberose überleben?“
Alexej Andrejewitsch Sarapkin, Häftling Nr. 74
In: Führer durch die Ständige Ausstellung KZ-Nebenlager Lieberose, Kotzan, 2006
„Das KZ Lieberose besaß kein Krematorium und so mußten die Leichen zunächst in einem Keller gelagert werden. Ab und an hatte man die Leichen mit einer Kalkschicht bestreut, um anschließend diese in imprägnierten Papiersäcken in große Holzkisten zu verstauen. Danach kamen die Leichen in das KZ Sachsenhausen. Am Anfang gab es diesen Transport nur einmal in der Woche, später jedoch zwei bis dreimal.“
Franciszek Federyga, Häftling Nr. 77521
In: Führer durch die Ständige Ausstellung KZ-Nebenlager Lieberose, Kotzan, 2006
„Während eines Abendappells konnte man einen Häftling nicht finden. Nach einiger Zeit der Suche wurde er friedlich schlafend auf dem Boden einer Baracke entdeckt. Mit Fußtritten und Schlägen wurde er geweckt und mußte zum Appellplatz, wo er zur selben Stunde mit einer Strafe belegt wurde, einen großen Stubben einer alten Kiefer zu roden. Solange die Arbeit aber nicht vollendet war, sollte er kein Essen bekommen. Der unglückliche Mensch, ausgestattet mit einem Spaten, begann diese schwere Arbeit. Um ihn herum stellten sich vier Mann mit Stöcken und jedesmal, wenn er sich bückte, wurde er solange auf den Rücken geschlagen, bis er neben dem Stubben verstarb.“
Viktor B. Brashnikow, Häftling Nr. 74 284
In: Führer durch die Ständige Ausstellung KZ-Nebenlager Lieberose, Kotzan, 2006
„Aufstehen um 5 Uhr, Kaffeeersatz, Appell bis 7 Uhr und Abmarsch zur Arbeit. Wir bauten Baracken, die ungefähr 2 km vom Lager entfernt waren. Für die Arbeiter gab es einen Imbiß von ungefähr 100 g, aber nicht für die Juden. Zu Mittag versammelten wir uns, um Suppe zu essen, die vom Lager in Containern gebracht wurde. Die Suppe war trübe und dünn, darin waren Kohlrüben oder Kraut, selten einige Kartoffeln, 4 oder 5 am Sonntag. Arbeit von 13.30 – 17.00 Uhr und dann zurück zum Lager. Wenn Kameraden gestorben sind, mussten wir sie mit ins Lager nehmen, jeweils 4 Personen zum Transport eines Toten. Das kam häufig vor, sei es durch die Schläge der SS, sei es durch die Schläge des Kapos.“
Claude Rene Roudaire, Häftling Nr.74 099
In: Führer durch die Ständige Ausstellung KZ-Nebenlager Lieberose, Kotzan, 2006
„Auf der Bahnstation in Auschwitz fand die übliche Selektierung statt. Nach dem Baden bekamen wir gestreifte Häftlingskleidung und wurden in ein Lager gesteckt, wo ich sechs Tage war. Anschließend wurde ich mit einem Arbeitertransport nach Lieberose gebracht.
Wir waren 2500, die aus Auschwitz nach Lieberose gebracht wurden. Wir bauten Bunker, verrichteten verschiedene Erd- und Waldarbeiten. Es war alles sehr mühsam und schwer, zudem schlugen uns die SS-Leute und behandelten uns sehr schlecht. Bei großer Kälte gingen wir in den Wald und arbeiteten stundenlang in einfacher Kleidung draußen im Freien. Unsere Hände und Füße sind fast erfroren. Dort hielten aber nur sehr wenige durch, weil diese schwere Arbeit bei sehr schlechter Verpflegung verrichtet werden musste. Von den anfänglich 2 500 Menschen blieben nur 120 übrig. Dort arbeiteten wir bis zum 2. Februar 1945, danach brachte man uns nach Sachsenhausen.“
Izidor Marmostein aus Szerednye in Ungarn
In: Führer durch die Ständige Ausstellung KZ-Nebenlager Lieberose, Kotzan, 2006
„Am 2. Februar, als das Lager liquidiert wurde, sind wir nach Sachsenhausen marschiert. Ungefähr 1600 Häftlinge bekamen für 5 Tage Marsch je eine Pferdedecke, eine Konserve und ein Brot. Es schneite und es war feuchtkaltes Wetter.
Die erste Nacht verbrachten wir unter freiem Himmel auf einer Wiese auf der nassen Erde am Schwielochsee. In der nächsten Nacht haben uns die SS-Bewacher in eine Scheune getrieben, in der es sehr eng war. Von den SS-Leuten wurden wir mit Knüppeln auf den Kopf geschlagen. Wenn sie jemanden totschlugen, begruben wir ihn am Morgen und strichen ihn aus der Liste. Das gleiche geschah mit denen, die zum Marschieren keine Kraft mehr hatten. Sie wurden durch Genickschuß ermordet, auf einen Pferdewagen geladen und in der Nacht begraben. In der dritten Nacht übernachteten wir in einer Reitschule.
Nachdem wir Sachsenhausen erreicht hatten, übernachteten wir und früh war Appell. Die Juden wurden in die Gaskammer getrieben, die Deutschen sollten in der Strafeinheit der SS ‚Dirlewanger’ an der Front gegen die Rote Armee kämpfen. Die Gesunden mußten in Fabriken arbeiten, die Kranken haben sie nach Bergen-Belsen ins Vernichtungslager geschickt.“
Wojciech Cieslik, Häftling Nr. 77487
In: Führer durch die Ständige Ausstellung KZ-Nebenlager Lieberose, Kotzan, 2006
Alternatives Erinnerungskonzept – Potsdamer Texte und Stationen
Potsdam-Drewitz
Aus Quellen* zum Todesmarsch ist der Ort Drewitz bekannt. Vom 6. Zum 7. Februar 1945 mussten die Häftlinge die Nacht auf einem Gut in der unmittelbaren Nähe Potsdams verbringen. Dort ermordete der SS-Rottenführer Erich Schemel vier Häftlinge. Bevor sie Potsdam erreichten, tötete er zwei weitere auf dem Weg. Unter anderem dafür wurde er vor einem Schwurgericht verurteilt. Ihm wurden 30 Tötungen nachgewiesen. Er kam im Jahr 1965 für fünf Jahre in Haft. Allerdings wurde er nach einem Revisionsverfahren früher freigelassen. Auf dem Friedhof in Drewitz befinden sich ein Erinnerungsort an den Todesmarsch und die Gräber von Ermordeten.
* Petrick, Marion; Sieczka, Manja (1999): Der Todesmarsch nach Sachsenhausen; Gedenkstättenverein Lieberose (Hrsg.); LIRO: KZ-Nebenlager Lieberose, Ausgabe 15

Potsdam Hauptbahnhof
Laut Berichten von Überlebenden wurden an einem Bahnhof weitere Häftlinge erschossen. Da es zu diesem Zeitpunkt nur diesen zentralen Güterbahnhof in Potsdam gab, ist es wahrscheinlich, dass sich die Erschießungen in der Nähe des heutigen Hauptbahnhofes ereignet haben, da dieser an der Route des Todesmarschs liegt.
Herbert Kaufmann berichtete über die Schüsse am Güterbahnhof: „Ich möchte noch einen Fall erwähnen, bei dem ich gesehen habe, daß Schemel mit einer Maschinenpistole auf Häftlinge geschossen hat. Es war ebenfalls auf dem Marsch, und zwar in Potsdam, als wir einen Güterbahnhof passierten, auf dem Truppen umgeladen wurden. Die Truppen empfingen gerade Verpflegung. Das mag ausschlaggebend gewesen sein, daß die ausgehungerten Häftlinge zum Teil den Mut verloren hatten und nicht mehr weitermarschieren wollten. Etwa 40 bis 50 Häftlinge warfen sich deshalb neben der Straße nieder und Schemel nahm seine Maschinenpistole und schoss.“
[Zeugenaussage von Herbert Kaufmann] (11.09.1961). 406ARZ 65/61, Zeugenaussage vor dem Landeskriminalamt Bremen; Stadtarchiv Marberg
*SS-Rottenführer Erich Schemel

Potsdam Alter Markt
Die Potsdamer Neueste Nachrichten berichteten 1994 in zwei Artikeln über den Todesmarsch durch Potsdam. Hier beschreibt der jüdische Gefangene Chaim Piotrkowski seine Erlebnisse auf dem Todesmarsch. Für ihn ist sein Zusammenbruch in der Nähe der Nikolaikirche am Alten Markt zentral:
„Aber die gesammelten Kräfte reichten nur eine kurze Zeit, und in dem Moment, als wir gegenüber der Nikolaikirche mit ihrer beeindruckenden grün-bläulichen Kuppel waren, fiel ich erneut und blieb mitten im Zentrum der Stadt liegen.“
Piotrkowski, Chaim (02.07.1994): Auf dem Todesmarsch (II); Jg. 44/152; Potsdamer Neueste Nachrichten; Potsdam

Potsdam Charlottenstraße
Eine weitere Quelle zum Potsdamer Todesmarsch findet sich in der Erinnerung der Potsdamerin Renate Schäfer. Sie beschreibt in ihrem Tagebuch den Todesmarsch folgendermaßen:
„In der Charlottenstraße begegneten wir einem trostlosen Zuge. Eine endlose Reihe von KZ-Häftlingen schleppte sich, am Zusammenbrechen nahe, vorwärts. Frierend und hungernd, in Lumpen und schlechtes Schuhwerk gekleidet, schritten sie in gebeugter Haltung, langsam in Regen und Schnee. Rechts und links zur Seite schritten bewaffnete SS-Männer. Schaudernd und angstvoll blickten die Vorübergehenden diesen Todeszug an. Mein Herz krampfte sich vor Weh und Leid zusammen.“
Schäfer, Renate (05.02.1945) in: Landeshauptstadt Potsdam (2005): Begleitheft zur Sonderausstellung „Kohldampf und Bombentrichter“ Potsdam 1945 —Tag um Tag vom 24.März bis zum 4.September 2005; Potsdam

Potsdam Kolonie Alexandrowka
Chaim Piotrkowski beschreibt in seinem Zeitungsartikel in den Potsdamer Neueste Nachrichten aus dem Jahr 1994 die Übernachtung in einer Reithalle in der Nähe der Kolonie Alexandrowka. Hierbei könnte es sich um eine der Kasernen handeln, die dort in der Umgebung lagen:
„Aber der Kommandeur dieser Garnison (Gott behüte seine Seele!) gab den Befehl, uns für diese Nacht in einem der großen Ställe aus dem 19. Jahrhundert unterzubringen. Wer von uns könnte diese Potsdamer Ställe jemals vergessen!“
Piotrkowski, Chaim (02.07.1994): Auf dem Todesmarsch (II); Jg. 44/152; Potsdamer Neueste Nachrichten; Potsdam

Die Zitate und Lokalisierung der Orte sowie weitere Informationen haben wir zudem aus:
Barz, A.; Hoffmann, A.: „Ausarbeitung zur Ausschilderung des Todesmarsches des KZ Lieberose in der Stadt Potsdam“